Der Reiseblog aus Estland

Von Doppelbuchstaben, besseren Produktionen und einem Wort mit 111 Zeichen: herzlich willkommen in Tallinn

Hallo aus Tallinn. Mein Name ist Thorsten Vogt, ich bin Mediendirektor bei Brose Bamberg und nehme euch mit auf einen kleinen Blick hinter die Kulissen unserer Reise nach Estland.

Diese Zeilen entstehen eben im ältesten Café der Stadt. Maiasmokk. Und da wären wir bei der ersten Auffälligkeit des Landes. Nicht alte Cafés, sondern Doppelbuchstaben. Nahezu in jedem Wort kommen sie vor. Baar. Spaa. Museuum. Oder eben Maiasmokk. Die Grundlage hierfür bildet die Herkunft der Sprache. Estnisch gehört zur finno-igurischen Sprachgruppe, innerhalb deren es nochmals zur Untergruppe der finno-permischen Sprachen zählt. Die Besonderheit der Doppelbuchstaben kommt nun daher, dass lange und überlange Vokale durch eben diese Doppelbuchstaben gekennzeichnet sind. Problem für die die Sprache lernen wollenden Menschen: es gibt kaum Regeln, wann ein Vokal lang oder überlang gesprochen wird. Und wenn wir schon mitten in der Sprachgeschichte sind: durch die Jahrhunderte währende Präsenz der Deutschbalten in Estland hat die estnische Sprache viele Einflüsse aus dem Deutschen erhalten. So macht man sich im dushiruum frisch, trinkt naps und Moseli vein, reserviert einen plats, malt ein pilt, zieht sich den mantel an und setzt sich die müts auf, wenn man zum arst oder ins reisibüroo geht. Aber ich drifte zu sehr ab…

Warum ich überhaupt im ältesten Café der Stadt sitzen und die Zeilen in den Computer schreiben kann, hängt mit der Spielverlegung zusammen. Ursprünglich sollte die Partie ja am Mittwoch stattfinden. Allerdings sind beide möglichen Hallen in Tallinn an diesem Tag belegt. In der einen findet die Schieß-Europameisterschaft statt, in der anderen ein EM-Quali-Spiel der estnischen Handballer. Und auch sonst hätten wir in ganz Estland am Mittwoch nicht spielen können, da keine andere Halle im Land den Anforderungen des internationalen Basketballs entspricht und Standkörbe vorweist. Daher die Verschiebung. Die läuft übrigens im Europe Cup nur, wenn der gegnerische Verein zustimmt. Es ist also mitnichten so, dass die FIBA sagt, ihr müsst da und da spielen. Nein. Der Heimverein fragt beim Gegner an, ob sie einverstanden sind. Sind sie es, wird verlegt. Sind sie es nicht, muss der Heimverein eine andere Möglichkeit finden. Tatsächlich gingen in unserem Fall und unserer Zustimmung zur Verlegung auf den Montag insgesamt 17 Mails voraus. Am Ende aber stand eine Einigung – und nun sind wir in Tallinn und ich im Maiasmokk. Die Zeit fürs Café und tatsächlich auch ein bisschen Sightseeing ist vorhanden, da wir bereits einen Tag früher als üblich und direkt von Hamburg mit kurzen Zwischenstopps in Berlin und Riga angereist sind.

Tallinn also. Da war mal was. Vor zwei Jahren waren wir schon mal hier. Damals zur Qualifikation für die Basketball Champions League. Es war ein kurzer Besuch. Wir verloren im Halbfinale gegen Juventus Utena. Ein Mann lief damals heiß und schoss uns mit 27 Punkten gefühlt im Alleingang ab: Patrick Miller. Gott sei Dank also, dass der nun bei uns spielt… damals waren wir in der Saku Suurhall. Wieder so ein Wort mit Doppelbuchstaben. Diesmal spielen wir in der kleinen Kalevi Spordihall. 1.800 Zuschauer passen da rein. Die Halle wird ausverkauft sein. Und wer weiß, wie sportverrückt die Esten sind – es wird laut werden. Das alles kommt hoffentlich gut im TV bzw. Internet rüber. Ab der KO-Phase, sprich also ab dem nun anstehenden Viertelfinale, muss der Produktionsstandard erhöht werden. Waren bislang lediglich zwei Kameras vorgeschrieben, sind es nun mindestens fünf. Hinzu kommen eine verpflichtende Zeitlupe und das IRS, das Instant Replay System. Das ist der Videobeweis und kann fortan von den Schiedsrichtern in unsicheren Momenten hinzugezogen werden. Für die Produktion ist übrigens jeder Verein selbst verantwortlich, sprich es gibt keinen offiziellen TV-Produktionspartner. Die FIBA gibt einzig die Vorgaben, für die Umsetzung ist jeder einzelne Heimclub zuständig. Was bleibt: alle Spiele werden weiterhin live und kostenfrei auf dem YouTube-Kanal des Basketballweltverbandes unter youtube.com/fiba gezeigt.

Keine Neuerung hingegen ist, dass es auch im Viertelfinale ein Hin- und Rückspiel gibt. Das wirkt in einer KO-Phase im Basketball auf den ersten Blick ungewohnt. Und irgendwie auch auf den zweiten, kennt man doch normalerweise nur Serien von Best-of-Three, Best-of-Five oder Best-of-Seven. Nun also Hin- und Rückspiel. Das heißt also, es kann sein, dass im ersten Spiel ein Unentschieden rauskommt. Oder im zweiten. Nur nicht in beiden. Das geht nicht. Es werden nämlich die Punkte aus Hin- und Rückspiel zusammenaddiert. Wer mehr hat, hat gewonnen. Dabei ist es unerheblich, ob man Zuhause oder auswärts mehr erzielt. Was zählt ist das Gesamtergebnis. Daher ist es umso wichtiger, dass man sich im ersten Spiel eine gute Ausgangslage für das Rückspiel schafft. Auf der anderen Seite kann man aber auch durch ein starkes zweites Spiel ein möglicherweise schlechtes erstes ausmerzen. Wie auch immer: wir müssen gewinnen. Mindestens eins. Am besten beide. Und das noch dreimal. Dann stünde der erste internationale Titel fest. Und da wir durch die Namensumbenennung und die Logoänderung sowieso neues Briefpapier drucken müssen, wäre es doch nur sinnvoll, wenn wir da unter „Erfolgen“ auch gleich noch was Neues mit dazuschreiben könnten…

Aber langsam mit den jungen Pferden. Soweit sind wir noch lange nicht. Davor stehen noch viele schwere Aufgaben – und hoffentlich zwei Reiseblogs. Dieser ist hier zu Ende. Ich hoffe und bin zuversichtlich, der nächste kommt am 5. April. Ob aus Italien (da spielt Budivelnyk) oder aus Cholet warten wir ab. Allerdings will ich euch nicht entlassen, ohne das längste estnische Wort in diesem Blog untergebracht zu haben:

Isaspaabulinnusabakattesulesilmamunavärvivabrikukuldväravaauvahtkonnaülemapühapäevajakirinnataskusisevoodrivahe

Wer es richtig ausspricht und mir bis 12. März per Sprachnachricht an thorsten.vogt@brosebamberg.de schickt, bekommt eine tolle Überraschung… 🙂

In diesem Sinne, bleibt sportlich!