Der Reiseblog aus Polen

Von Schulbusfahrten, rotem Samt und einem Mann, der anscheinend die Welt brennen sehen will: herzlich willkommen in Włocławek

Hallo aus Włocławek. Mein Name ist Thorsten Vogt, ich bin Mediendirektor bei Brose Bamberg und nehme euch mit auf einen kleinen Blick hinter die Kulissen unserer Reise nach Polen.

Włocławek. Polen. Rund 850 Kilometer liegen zwischen unserer Trainingshalle und der polnischen Großstadt. Die hat übrigens den deutschen Namen Lesau, ist an der Weichsel gelegen, rund 90 km südöstlich von Bydgoszcz und 50 km südöstlich von Toruń, den beiden Woiwodschaftshauptstädten, sowie 140 km nordwestlich der polnischen Hauptstadt Warschau. So, damit wisst ihr Bescheid und seid für die kommende „Wer wird Millionär“-Ausgabe gerüstet. Für uns hieß es Busfahren. Die ganzen 850 Kilometer. Wobei wir sie aufteilten. Grob die Hälfte fuhren wir am Montagnachmittag nach Berlin, übernachteten dort und fuhren die andere Hälfte am Dienstag dann weiter. Alles in allem waren wir knapp zehn Stunden unterwegs. Ein Hoch denjenigen, die im Bus Sachen machen können. Lesen etwa. Filme schauen. Meine Wenigkeit ist mit dem Mir-wird-sofort-schlecht-wenn-ich-auch-nur-irgendetwas-im-Bus-versuche-zu-tun-Gen gesegnet. Alle anderen können aber alles andere tun. Es wird viel gespielt. Karten. Neuerdings Backgammon. Und einer schreibt an seiner Dissertation. Athletiktrainer Roberto Molina Romero schreibt und schreibt und schreibt. Und telefoniert. Und schreibt. Und schreibt. Und telefoniert. Und schreibt. Tatsächlich macht er all das. Er ist schlau. Sehr schlau. Aber, er will anscheinend, dass die Erde demnächst brennt. Und zwar komplett. Denn er hatte – und dann ist er vielleicht doch nicht so schlau – zwei linke Socken an…

Das Hotel liegt etwas außerhalb von Włocławek im Kurort Wieniec Zdroj. Daher ist es uns auch tatsächlich nicht möglich, irgendetwas von der Stadt zu sehen. Weder die 18 Brauereien, die es hier gibt. Noch das Haus, in dem Publizist und Literaturkritiker Marcel Reich-Ranitzki seine Kindheit verbrachte. Und auch nicht die Sonnenuhr, die – so sagt es die Legende – von Nikolaus Kopernikus höchstpersönlich gebaut wurde. Stattdessen Hotel. Das Uzdrowisko Wieniec hat den Charme eines Prachtbaus der 1950er Jahre. Zumindest innen. Von außen scheint es modern, drinnen nur so semi. Roter Samt ziert Flure und Zimmer. Und es ist viel Samt nötig, denn das Hotel ist riesig, die Wege weit. Dabei ist es einmal mehr so, dass mein Zimmer – in diesem Fall Zimmer 1068 – immer am Weitesten von allem entfernt liegt. Unser Teammanager Enzo Neck meint zwar, das hinge mit meinem Nachnamen und der alphabetischen Zimmervergabe zusammen. Ich glaube ihm das aber nur bedingt und werde das bei den kommenden Reisen weiterhin eruieren… ansonsten aber passt hier alles. Das Essen ist ok, die Matratzen hart, die Duschen hoch genug. Da fällt mir ein, eine Geschichte habe ich noch von der Anreise. Natürlich sind wir kontrolliert worden. Also der Bus. bzw. unsere Busfahrer. Da wir aber ein extrem cleveres Busunternehmen haben – Shoutout an Thomas Kramer und sein Team – hatten wir neben unserem Immerbusfahrer Markus diesmal auch Piotr dabei. Der ist gebürtiger Pole und hat die Situation bestens gemeistert. Daher: danke Piotr, weitermachen!

Gespielt wird in der Hala Mistróv, einer knapp 4.000 Zuschauer fassenden Arena. Sie gilt als eine der funktionalsten und schönsten Hallen des Landes und beherbergt Anwil Włocławek seit 2001. Hala Mistróv heißt dabei wörtlich übersetzt: Meister Arena. Und immerhin drei Meisterschaften hat sie auch bereits gesehen, dazu vier Pokalsiege und drei Titel im Supercup. Dabei ist Koszykówki Włocławek, wie der Verein ursprünglich hieß, erst seit 1990 dabei, wurde da gegründet, stieg zwei Jahre später in die erste Liga auf, ist seitdem ununterbrochen dabei und mittlerweile auch in seiner 18. internationalen Saison. Der Name Anwil kam 1999, da stieg eines der größten Chemieunternehmen des Landes als Hauptgeldgeber ein. Auch ein ehemaliger Bamberger Spieler war mal hier. D’Or Fisher begann seine europäische Karriere 2005 in Włocławek, ehe er über viele weitere Stationen zur Saison 2013/2014 nach Bamberg kam. Spitzname ist übrigens Rottweiler. Also vom Team, nicht von Fisher. Der Kampfhund ziert seit mittlerweile 15 Jahren das Wappen des Vereins. Seine Kernkompetenzen laut Homepage: aggressiv gegenüber Eindringlingen, duldet sie nicht, vor allem nicht in der Meister Arena. Nun denn, schauen wir mal, wie sich das so darstellt… Die Arena selbst ist übrigens in einer ganz eigenwilligen Form gebaut. An den Querseiten geht sie steil über insgesamt 80 Treppenstufen nach oben. Dafür sind hinter dem Korb nur minimale Tribünen angebracht.

Basketball hat in Polen Tradition und auch hier in Włocławek merkt man deutlich das Interesse an diesem Spiel, aber auch an den Spielen des Teams insgesamt. Die Kollegen haben für die Saison 27 Dauerakkreditierungen an Journalisten und Fotografen herausgegeben. Zum Vergleich: wir haben elf. Ich hatte im Vorfeld des Spiels insgesamt sieben Interviewanfragen durch polnische Medien, auch das ist eher ungewöhnlich viel. Ach ja, apropos Interview. Eines gab Oren Amiel noch am Dienstagabend. Nach dem Abschlusstraining und vor dem Abendessen stellte er sich den Fragen unseres Hallensprechers Matthias Steger. Der moderierte eine große Sponsorenveranstaltung in der BROSE ARENA, in der es unter anderem um die Gesellschaftersuche und die damit einhergehende Zukunft des Bamberger Basketballs ging. Rund eine Viertelstunde beantwortete unser Cheftrainer dabei die Fragen von Stego und aus dem mit rund 80 Personen gut besuchten Auditorium. Im Vorfeld hatten alle bereits die Gelegenheit, ein paar Minuten live ins Abschlusstraining reinzuschauen, denn auch von dort gab es ein Schalte, in der ich kurz erklärte, was aktuell gerade bei uns geboten ist. Wie heißt es so schön: Mittendrin statt nur dabei. Gestern war es im wahrsten Sinne der Wörter genauso…

Zum Abschluss nochmals eine kurze Busgeschichte. Zwar sind wir wie erwähnt mit unserem eigenen hier, da unsere Fahrer jedoch ihre Fahrzeiten einhalten müssen, hatten wir am Mittwochmorgen zum Shoot Around einen Bus der Hausherren. Der hatte am frühen Morgen – so zumindest unsere Interpretation – noch als Schulbus agiert. Zumindest aber als öffentliches Verkehrsmittel. So mit Fahrkartenautomaten. Da ist mir übrigens aufgefallen: man kann sich sein Ticket im Bus selbst mit Karte kaufen. Also Karte hinhalten, Ticket wählen, fertig. Da ich, das muss ich gestehen, mich nicht an meine letzte Fahrt in einem deutschen öffentlichen Stadtbus erinnern kann – geht das bei uns auch? Oder bezahlt man immer noch vorne beim Fahrer? Eine Frage, die mich tatsächlich ehrlich interessiert…

Bleibt mir zu guter Letzt wie immer nur der Dank an euch, denn ohne euch würde es diesen Blog nicht geben. Euer Input, eure Kritik ist jederzeit herzlichst willkommen. Übrigens gerne auch persönlich. Ich traf mich erst kürzlich mit einem Kritiker zum persönlichen Austausch. Ob ich ihn überzeigen konnte? Keine Ahnung. Ich finde es aber immer besser, wenn man Argumente persönlich austauscht, als anonym über Foren, Emails und Social Media Accounts. Daher: meine Tür steht für jeden jederzeit offen. Solltet ihr also mal vorbeikommen wollen – wir haben einen der besten Kaffees der Welt im Trainingszentrum – dann schreibt mir gerne. Meine Email-Adresse war, ist und bleibt thorsten.vogt@brosebamberg.de. Den nächsten Reiseblog gibt es übrigens bestimmt. Die Frage ist nur, wann und von wo. Dazu spielen viele Komponenten eine Rolle. Natürlich unser Spiel. Aber auch die Partien der anderen Gruppe. Fakt ist ja: wenn wir gewinnen, sind wir als Gruppensieger durch. Dann ginge es im Viertelfinale entweder gegen Crailsheim, Tallin oder den Bosch. Daher: Spannung ist garantiert. In jeder Hinsicht. In jede Richtung.

In diesem Sinne, bleibt sportlich!